Ich würde mich eurer Interpretation zwar grundsätzlich anschließen, im Bezug auf TombRaider sehe ich den zusammenhang aber nicht für relevant an.
Zum einen ist die Interpretation "Vergewaltigung" nach wie vor sehr schwammig und zum zweiten stimmen die von LaChippola vorgebrachten zeitlichen Zusammenhänge nicht mit dem Überein, was man im Spiel sieht. Ich habe das Game erst vor zwei tagen beendet und habe die Szene deshalb noch relativ gut auf dem Schirm.
Bei der Szene handelt es sich nicht um eine Vergewaltigung. Worüber diskutiert wird, ist eine maximal 2 Sekunden andauernde Berührung, die es vom Tatbestand her kaum zu einer rechtlichen Annerkennung als "Nötigung" schaffen würde. Das eine solche gleich eine tiefgreifende psychologische Störung bei Lara verursachen würde, die erforscht werden sollte, erscheint mir vollkommen überzogen. Lara erwähnt später selber, dass sie während ihres Studium als Nachtdienst in einer Bar oder einem Imbiss gearbeitet hat. Da werden ihr solche Situationen mit sicherheit mehr als nur ein Mal wiederfahren sein. Davon auszugehen, das jede Kellnerin, die von einem Gast gegen ihren Willen sexuell bedrängt wird, gleich so tiefgreifend psychisch gestört ist, das ihr Trauma in einer fiktiven handlung aufbereitet werden müsste, finde ich gewagt.
Zum Anderen ist es auch nicht die Berührung, die Lara dazu bringt, Vladimir zu töten (Stichwort Instrumentalisierung). Achtet einfach mal auf den zeitlichen Ablauf der Szene. Zunächst wehrt Lara sich nämlich und läuft dann weg! Ein Kampf, der mit Vladimierst tot endet, entsteht erst in dem Moment, in dem Vladimir seine Waffe zieht und Lara erschießen will. Hätte Vladimir Lara laufen lassen, als sie versuchte zu fliehen, hätte sie keinen Grund gehabt, ihn zu töten. Obwohl die als Vergewaltigung betrachtete Szene zu diesem Zeitpunkt bereits passiert ist.
Der Auslöser, der bei Lara den Schalter "Überlebensmodus ON" umlegt, ist also nicht - wie so oft behauptet - die vermeintliche Vergewaltigung, sondern erst der fremde Mann, der sie mit einer Pistole bedroht.
Nicht falsch verstehen, ich will solches Verhalten weder entschuldigen noch verharmlosen, aber wir reden hier schließlich immer noch über ein fiktives Medium. Und als solches ist die Darstellung in TombRaider zumindest nicht dazu geeignet, das gezeigte zu verhamrmlosen oder zu beschönigen. Ganz im Gegenteil zu tabubrüchigen darstellungen in anderen Werken. Einen Übergriff auf Laras Psyche, der unbedingt eine darauffolgende Charakterstudie erfordern würde, sehe ich in dem gezeigten nicht. Was ich dort sehe, ist in erster Linie Ablehung und Angst seitens Laras
Und das ist nichts, was man nicht in jeder Episode Criminal Minds und anderen Krimi-Serien ebenfalls zu sehen bekommen würde...und auch dort findet keine psychologische Aufarbeitung des Traumas statt, dass das Opfer durchlebt. Die Serien konzentrieren sich nämlich auf die Psyche des Täters und die Tathergangsermittlung, nicht die Traumata der Opfer. Doch während TombRaider wegen angeblicher "instrumentalisierung" sexueller Übergriffe Schelte kassiert, wird Criminal Minds grade wegen der schonungslosen und spannenden Darstellung gelobt, obwohl das Opferleid dort in einem noch viel größeren Umfang instrumentalisiert wird.
Edith sagt:
Die Blutflüsse später im Spiel fallen für mich persönlich auch nicht mehr wirklich unter Horror, das geht mehr in die Richtung Splatter. Und so ein Zeug hat bei mir sowieso einen schweren Stand. Am Atmosphärisch dichtesten Fand ich das Spiel bis zu der angesprochenen Vergewaltigungsszene, danach ließ der Horror-Faktor spürbar nach und trat nur noch hier und da mal in erscheinung. Aber die ersten Stunden im Küstenwald die hatten Atmosphärisch schon so einiges in sich ... etwa der unterirdische Bunkertunnel oder die Situation mit den Wölfen und der Bärenfalle.
Das war wirklich noch gelungener Horror, der später dann leider zunehmend von Ekel abgelöst wurde. Später waren eigentlich nur noch die Oni etwas, vor dem man Angst haben konnte ... und ebend die entpuppen sich dann letztlich als Luschen. Schade drum. Horror und Mystery müssen sich übrigens in keiner weise gegenseitig ausschließen. Gut, in einem potentiellen Nachfolger kann man Lara wohl nicht mehr durch Wölfe Angst einjagen, aber da Lara ja nun an das übernatürliche Glaubt, haben die Entwickler diesbezüglich ja auch viel mehr Spielraum. Alles, was man tun müsste, um den Horror-Faktor länger aufrecht zu erhalten, wäre, die Gegner nicht so schnell zu entmystifizieren. Bei den Oni hat das z.B. ganz gut geklappt. Das mysterium wurde vom Anfang des Spiels bis fast zum Ende aufrecht erhalten. So etwas würde ich mir auch für den Nachfolger wünschen ... nur mit einer weniger enttäuschenden Auflösung.